Innenwiderstände und Zellspannungen
Mich erreichen hin und wieder Anfragen von Besitzern eines LiFePO4-Akkus, ob es bedenklich ist, wenn die Zellspannungen "stark" voneinander abweichen oder ob die Innenwiderstände nicht "viel zu hoch" sind.
Geschuldet ist dies ganz sicher dem Umstand, dass die BMS der Akkus ihr "Wissen" bis ins kleinste Detail per App auf's Smartphone liefern, was aber -anstatt dem Benutzer Aufschlüsse über den Zustand des Akkus zu geben- sehr häufig zu Fehlinterpretationen und Verwirrung führt.
Ich möchte daher an dieser Stelle mal ein klein wenig dazu beitragen, dem Benutzer zu ermöglichen, die bereitgestellten Werte etwas gelassener zu betrachten.
Die Innenwiderstände:
Die Hersteller der Zellen geben in Ihren Datenblättern die Innenwiderstände der Zellen an, um dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, seine Zellen nach einer gewissen Zeit beurteilen zu können.
Das Problem dabei ist nur, dass das Messverfahren, welches die Hersteller verwenden, ein völlig anderes ist, als das, mit denen die BMS die Innenwiderstände ermitteln (können).
Während die Akkuhersteller die Innenwiderstände meist zufällig ausgewählter Zellen einer Produktionslinie mittels eines sehr kurzzeitigem, hochfrequentem (1 kHz),Wechselstromstoßes (im mA-Bereich) mit extrem geringer Spannung (im mV-Bereich) ermitteln, wenden die meisten BMS die ΔU/ILast-Methode an; denn das sind die Werte, die im laufenden Betrieb zur Verfügung stehen.
(Δ U = Leerlaufspannung - Lastspannung; ILast = der Laststrom)
Nun sind ja Leerlaufspannung, Lastspannung und auch Laststrom im Betrieb niemals immer gleichbleibend, folglich ergibt diese Berechnung auch immer unterschiedliche Ergebnisse und eine Messung ist auch nicht so einfach reproduzierbar; denn hierzu müsste man bei jeder Messung den Ladezustand (der ja, trotz nahezu identischer Leerlaufspannung, den Spannungsabfall unter Last beeinflusst) exakt kennen.
Darüberhinaus hängt das Ergebnis einer automatischen Messung im Betrieb natürlich auch von der Qualität des BMS ab. Wenn schon die Spannungs- und Strommessungen nicht absolut exakt sind, kann eine Berechnung hieraus natürlich auch nicht exakt sein.
Bei beiden Messmethoden spielt auch die Temperatur des Akkus eine nicht unbedeutende Rolle! Je geringer die Temperatur in einer Zelle ist, umso höher fallen die Messergebnisse aus, unabhängig vom Messverfahren.
Dass die Messergebnisse bei den Zellenherstellern unter Laborbedingungen ermittelt werden (immer Idealtemperatur, immer exakt gleiche Messinstrumente und immer mit denselben Parametern) versteht sich von selbst; denn anders könnten sie ja nicht erkennen, ob eine Zelle den Qualitätsanspruch erfüllt.
Der im Labor ermittelte Innenwiderstand einer LiFePO4-Zelle liegt in der Regel irgendwo zwischen 0,2 und 0,5 mΩ, während im Betrieb dieselben Zellen bei unterschiedlichen Belastungen und/oder Temperaturen durchaus Werte zwischen 0,3 und 2 mΩ vom BMS angezeigt werden können.
Die Innenwiderstände von Akkuzellen sind in der Regel nie identisch. Es können durchaus Abweichungen von 100% bei den verschiedenen Zellen innerhalb eines kompletten Akkus auftreten.
Diese beiden völlig unterschiedlichen Messmethoden führen also immer zu komplett unterschiedlichen Ergebnissen, was an sich auch nicht weiter schlimm ist.
Nur sollte man sich dessen bewusst sein, wenn man die abgelesenen Widerstände seiner Zellen mit denen vom Datenblatt vergleicht.
Bei Akkus, die aus so genannten A123-Zellen bestehen, sind die Abweichungen bei den Innenwiderständen der Einzelzellen sehr gering. Bei diesen Akkus werden die Zellen "handverlesen" und entsprechend zugeordnet.
Solche Akkus sind allerdings exorbitant teuer und werden deshalb werden auch nur für ganz besondere Anforderungen verwendet, wie z.B. im militärischen Bereich oder bei der Luftfahrt etc.
Insofern sollte man den Anzeigen, die auf dem Smartphone angezeigt werden, besser kritisch gegenüberstehen und diese nicht -nur weil sie digital daherkommen- als "der Weisheit letzter Schluss" betrachten.
Wenn man im laufenden Betrieb das BMS als Messinstrument zur Beurteilung der evtl. Veränderung eines Innenwiderstandes einigermaßen sinnvoll nutzen möchte, macht das nur Sinn, wenn man in größeren Abständen bei gleichen Umgebungsbedingungen, gleichen Ladezuständen und gleichen Belastungen des Akkus die Werte misst. So ergibt das wenigstens einen ungefähren relativen Vergleich.
Die Zellspannungen:
Die Abweichung der einzelnen Zellspannungen eines Akkus ist völlig normal. Diese kommt in jedem Akku vor, auch in jedem Bleiakku!
Bei den Bleiakkus bleibt sie jedoch im Verborgenen, weil ja nicht über jede Zelle "haarklein" Aufschluss gegeben wird, sondern lediglich die Gesamt-Akkuspannung als Information aus dem Akku zur Verfügung steht. Damit kann jeder etwas anfangen und jeder ist zufrieden, wenn diese hoch genug ist.
Bei den LiFePO4-Akkus weichen die Zellspannungen natürlich -in bestimmten Situationen- genauso voneinander ab, wie in einem Bleiakku, nur mit dem Unterschied, dass die Zellspannung nur im unteren und oberen Bereich etwas über den Ladestand (SoC) der Zelle aussagen.
Warum in bestimmten Situationen?
Während diese Abweichungen bei einem Bleiakku meist über den gesamten Kapazitätsbereich nahezu gleich bleibt, sollte sie bei einem intakten LiFePO4-Akku lediglich im ganz unteren und ganz oberen Spannungsbereich nennenswert (maximal 0,15-0,2 Volt) betragen. Im Bereich dazwischen (ca. zwischen 98 und 10% SoC) sollten die Zellspannungen im Ruhezustand maximal 0,02 bis 0,03 Volt voneinander abweichen, bei nennswerter Belastung (> 50A) darf es auch ein bisschen mehr sein. Wenn die Belastung über 100 A beträgt, kann man aber auch schon mal Abweichungen von 0,1 bis 0,15 Volt sehen.
Generell gilt, je größer die Last, umso größer wird die Abweichung sein. Beunruhigend ist das nicht, solange nach dem Abschalten der Last die Zellspannungen sich wieder "einpendeln" und die Abweichung auf die o.g. 0,02 bis 0,03 Volt zurückgeht.
Dieses "Einpendeln" ist aber nicht als Zellausgleich zu verstehen, die Zellen gleichen sich nicht einander an, lediglich die Zellspannungen verändern sich und erreichen dann irgendwann ein Niveau, bei dem die Spannungen nur noch geringfügig voneinander abweichen. Es findet also kein Ladungsausgleich statt!
Ein LiFePO4-Akku hat eine Nenn-Zellspannung von 3,2 bis 3,3 Volt. Diese Nennspannung ist als der Mittelwert der Zellspannung über den gesamten Kapazitätsbereich zu verstehen.
Eine LiFePO4-Akkuzelle behält über einen ganz großen Kapazitätsbereich diese Nennspannung in etwa bei, solange sie nur relativ gering belastet wird. Bei einsetzender wirklich hoher Belastung dagegen, nimmt die Zellspannung zwar sehr schnell ab, bleibt dann aber wiederum über fast den gesamten Kapazitätsbereich recht stabil. Wird die Last abgeschaltet, steigt die Zellspannung nach einer Weile auch wieder auf einen Wert im Bereich der Nennspannung an.
Anders verhält es sich sowohl am unteren, als auch am oberen Ende des Kapazitätsbereiches.
Sobald eine LiFePO4-Zelle unterhalb ca. 2,9 bis 3 Volt entladen wurde, nimmt diese immer schneller weiter ab. Wie schnell die Spannung ab diesem Wert weiter abfällt, hängt natürlich sehr stark vom Entladestrom ab. In diesem Bereich findet ja auch kein Zellspannungsausgleich durch das BMS statt. Somit kann sich, während der Belastung, durchaus eine Zellspannungsabweichung von 0,15 bis 0,2 Volt einstellen. Wenn dann die Last abgeschaltet wird, verringern sich die Abweichungen zwar, aber Werte von 0,02 Volt Abweichung wird man bei diesem Ladezustand nicht mehr sehen.
Analog hierzu verhält es sich beim Laden umgekehrt, nämlich im oberen Spannungsbereich. Sobald eine Zelle einen Wert von ca. 3,38 bis 3,4 Volt erreicht hat, sie also auf ca. 90% aufgeladen ist, steigt die Spannung in dieser Zelle deutlich schneller an.
Da aber bei einem Akku, bei dem mehrere Zellen in Reihe geschaltet sind, nie alle Zellen eine absolut gleiche Charakteristik haben, tritt dieser Zustand zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Kein BMS ist in der Lage, diese schnell einsetzende Abweichungen adhoc komplett auszubalancieren und so ist es überhaupt nicht ungewöhnlich, wenn eine (oder mehrere) Zelle eine um ca. 0,1 bis 0,15 Volt höhere Spannung hat, insbesondere dann, wenn bis zum Schluss mit hohem Strom geladen wird. Bei geringen Ladeströmen kann ein BMS noch für einen gewissen Ausgleich sorgen, wenn der Ladestrom jedoch ein Vielfaches des möglichen Balancerstromes beträgt, ist ein Spannungsausgleich einfach nicht mehr möglich.
Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass dieser "erfolgreiche" Zellspannungsausgleich bei niedrigen Ladeströmen aber auch eher eine kosmetische Korrektur ist. Die Zelle ist schon ziemlich voll geladen, wenn der starke Anstieg einsetzt.
Warum lädt man dann noch weiter?
Nun, es wird zwar -oberflächlich- von der Zellspannung auf den Ladezustand geschlossen, aber ob alle Zellen wirklich bei z.B. 3,4 Volt den gleichen Ladezustand (SoC) haben, könnte man nur mit einer dann erfolgenden Kapazitätsmessung ermitteln, indem man die Zellen wieder entleert und die entnommenen Wh misst. Das ist natürlich nicht praktikabel, also wird eine Zelle auf einen Wert >3,45 Volt geladen, häufig sogar bis 3,65 Volt.
3,65 Volt halte ich allerdings für überzogen und man stresst die Zelle damit unnötig. Ich lade Zellen lediglich bis 3,5 Volt auf und wenn dann bei einem Akku eine Zelle dabei ist, die "nur" 3,4x Volt hat, ist für mich alles in Ordnung.
Der Unterschied der Ladung zwischen 3,45 und 3,65 Volt ist wirklich vernachlässigbar gering!
Am meisten "amüsieren" mich diesbezüglich die tollen Screenshots von der App eines Akkuherstellers, wo die Einzelspannungen von 3,230 bis 3,234 Volt gezeigt werden und darauf hingewiesen wird, wie gut das Zellbalancing funktioniert.
Das ist natürlich Augenwischerei; denn in diesem Bereich ist es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass die Zellen bis auf wenige 1/1000 Volt alle die gleiche Spannung aufweisen, und balanciert wurden die Zellen in diesem Bereich sowieso nicht. Aber auch in diesem Spannungsbereich dürfen Abweichungen von einigen 1/100 Volt vorkommen. Sie sollten nur nicht kontinuierlich größer werden.
Fazit:
- Abweichungen der Zellspannungen untereinander innerhalb eines Akkus am Ende des Entlade-, bzw. Ladezyklus, sowie unter Last, sind absolut unbedenklich und spiegeln nicht die Qualität eines Akkus insgesamt wider.
Auch Laden mit hohem Strom ist eine Last, nur mit umgekehrten Vorzeichen!
- Langsames Entladen bei nahezu Ladeschluss lassen diese Abweichung genauso kleiner ausfallen, wie langsames Laden kurz vor Ladeschluss. Beim langsamen Laden gleichen die Balancer diese Abweichungen dann meist -zumindest teilweise- wieder aus.
- Wurde ein LiFePO4-Akku mit recht hoher Last komplett entladen und die Last dann abgeschaltet oder stark verringert, steigen die Zellspannungen wieder an und man kann, geringe Last vorausgesetzt, den Akku noch eine ganze Weile weiternutzen.
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